Der Vortragsabend im Rahmen der Maghreb-Kulturtage vom 11. bis 15.12.2018 stand ganz im Zeichen zweier starker Frauen, die sich der Völkerverständigung zwischen Deutschland und dem Maghreb verschrieben haben: Zum einen die Tunesierin Dr. Sameh Dridi, die sich dank eines Stipendiums den Traum eines Studiums in Deutschland erfüllte und heute als interkulturelle Trainerin und Sprachdozentin tätig ist. Zum anderen Donata Kinzelbach, die während ihres Studiums der vergleichenden Literaturwissenschaft in Mainz das facettenreiche Schriftgut aus dem Maghreb entdeckte und sich seit der Gründung des Donata Kinzelbach Verlages der Übersetzung von Werken namhafter Autorinnen und Autoren aus Nordafrika verschrieben hat. Im Jahr 2008 wurde die aus der Eifel stammende Verlegerin von Bundespräsident Dr. Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz zuerkannt “für über 20 Jahre Vermittlung zwischen Kulturen und Kulturkreisen” (Jens Beutel, Oberbürgermeister der Stadt Mainz).
Vorgestellt wurden die beiden Referentinnen des Abends am 12.12.2018 in den Räumlichkeiten der „Paritätische Wohlfahrtsverband Hamburg e.V.“ an der Wandsbeker Chaussee 8 von der Schriftführerin des Maghreb-Hauses Jutta Höflich, die den Abend moderierte.
Karikaturen sagen mehr als tausend Worte – Eine Selbstreflexion Vortrag von Dr. Sameh Dridi
In ihrem Vortrag „Karikaturen sagen mehr als tausend Worte – Eine Selbstreflexion“ ging die promovierte Ethnologin und Islamwissenschaftlerin Sameh Dridi auf das Medium Karikatur ein, das vielfältige und aktuelle Themen aufgreift, wie zum Beispiel gesellschaftlichen Zustände, Wertvorstellungen oder Ereignisse.
Zu Beginn ihres Vortrages ging sie der Frage nach, was „Karikatur“ eigentlich bedeutet:
Definition
„Karikatur (von lateinisch carrus ‚Karren’, also: Überladung, und italienisch caricare ‚überladen’, ‚übertreiben’) bedeutet die komisch überzeichnete Darstellung von Menschen oder gesellschaftlichen Zuständen, auch mit politischem bzw. propagandistischem Hintergrund“
Wikipedia
Karikatur in der Geschichte
Die ersten Karikaturen, so der Blick in die Geschichte, soll es bereits in der Antike gegeben haben. Auf altägyptischen Papyri, griechischen Vasen oder als römische Wandmalerei fanden sich vereinzelt Karikatur ähnliche Darstellungen. In der Renaissance entwickelte sich der Begriff der Karikatur dann allgemein für die komische oder satirische oder spottende bis kritisch wirkende Überladung oder für das Übertreiben zur Kennzeichnung des besonderen, zur Isolierung des auffälligen in der bildenden, darstellenden und literarischen Kunst.
Interkulturelles Potenzial
Im heutigen Zeitalter der Globalisierung birgt das Medium der Karikatur ein hohes interkulturelles Potenzial im DaF-Unterricht (Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache). Schließlich spielt sich Sprachdidaktik nicht im „Elfenturm“ ab und soll nicht abgehoben von der Realität sein, sondern kann auch national geprägt sein, auch durch die jeweilige Sprache. Schließlich prägen die jeweilige Sprache und die jeweilige Kultur des Landes auch das wissenschaftliche Denken und Argumentieren und damit indirekt auch die jeweilige Didaktik. Gerade mit sprachlichem Material, das heutzutage in Form authentischer Texte bzw. Bilder in großen Mengen zur Verfügung steht, kann man die interkulturellen Fähigkeiten/Kompetenzen entwickeln helfen.
Welches Potenzial Karikaturen, aber auch welche Gefahren dieses Medium birgt, machte die Vortragende an verschiedenen Beispielkarikaturen deutlich. Dabei wurde deutlich, dass es in den verschiedenen Kulturen unterschiedliche Tabugrenzen gibt. Paradebeispiel: Der blutige Anschlag auf das Pariser Satiremagazin «Charlie Hebdo» am 7. Januar 2015 mit seinen zwölf unschuldigen Opfern, der auch in Deutschland eine Diskussion über die Freiheit von Wort und Bild, von Spott und Parodie auch in zugespitzter Form insbesondere in Bezug auf Religion entfachte. Letztendlich gilt aber noch immer der legendäre Satz von Kurt Tucholsky „Was darf Satire? Alles!“ Umso größer ist die Herausforderung zu vermitteln, dass man mit dem Medium der Karikatur auch offensichtlichen und verdeckten Fremdenhass entlarven, Autoritäten vom Sockel stoßen und politische Entscheidungen kritisieren kann.
In der anschließenden Pause genossen die Gäste die Gelegenheit, sich bei Pfefferminztee und Gebäck mit Frau Dr. Dridi auszutauschen.
Die vielseitige und facettenreiche Literatur des Maghreb – Vortrag von Donata Kinzelbach
Im zweiten Teil des Abends berichtete Donata Kinzelbach über ihre Tätigkeit als Verlegerin von Literatur aus dem Maghreb. Bereits während ihres Studiums der Komparatistik entdeckte sie die Literatur aus dem Maghreb für sich und gründete nach ihrem Abschluss im Jahr 1987 ihren eigenen Verlag in ihrer Wahlheimat Mainz. Die ersten Jahre seien beschwerlich gewesen, verriet aus der Eifel stammende Verlegerin, da ihr das nötige Wissen für die Verlagsbranche und die Erfahrungen fehlten. Auch die Informationsbeschaffung sei damals schwieriger als im heutigen Zeitalter der Digitalisierung gewesen. Neben ihrem besonderen Interesse für Algerien und die algerische Literatur fokussierte sie sich auch auf Belletristik aus Tunesien und Marokko. Mit dieser sehr speziellen Ausrichtung hat sie sich im deutschsprachigen Raum ein bislang einmaliges Profil erarbeitet.
Avancierte Erzähltechniken und breites Themenspektrum
Und woher kommt die Begeisterung für die Literatur aus dem Maghreb? Zum einen begeistern die Verlegerin die avancierten Erzähltechniken. Jüngstes Beispiel: Der Email-Roman „Jasmin“ von der algerischen Autorin Nadia Sebkhi, die im Kulturteil der Liberté als „sculpteuse de mots“ (Bildhauerin der Worte) gefeiert wurde. Zum anderen haben die Autoren in den Ländern, in denen es so viele politisch und religiös-kulturell bedingte Probleme gibt wie in Algerien, Marokko und Tunesien reichlich Gelegenheit sich abzuarbeiten. Zu nennende Themenschwerpunkte sind die Kolonialzeit, die Gesichter der Migration sowie der Flucht nach Europa.
Verlagsarbeit
Wie aber gelangen die Texte zu Donata Kinzelbach? Viele der Autoren und seit 2002 auch Autorinnen kommen direkt auf sie zu, da sie sich über die Jahre in der Region einen Namen gemacht hat. Zwei bis drei Mal im Jahr reist sie in die Länder und besucht die großen, wichtigen Buchmessen wie etwa Salon International du Livre d’Algier oder den Salon International de l’Edition et du Livre de Casablanca bzw. empfängt die Schriftsteller und Schriftstellerinnen daheim in Mainz. Die Manuskripte liest sie zumeist erst auf Französisch. Insbesondere die ältere Generation schreibt und veröffentlicht noch in der Kolonialsprache. Bei den Werken der neuen Generation, die sich eher dem Arabischen zuwendet, wartet sie die Übersetzung ab.
Den Fokus auf die junge Generation legen
Apropos neue Generation – ein besonderes Anliegen von Donata Kinzelbach ist auch der Kontakt zu jungen Menschen hierzulande. Sie möchte diese mit neuen Ländern und Kulturen konfrontieren und somit Horizonte öffnen. Und so findet man in ihrem Portfolio auch Schulmaterial für den Französischunterricht.
Zukunftswünsche
Und welche Wünsche hat Donata Kinzelbach für die Zukunft? Dass der Buchmarkt für kleine unabhängige Verlage wie ihrem erträglich bleibt, so die Antwort der bescheidenen Grande Dame der Maghreb-Literatur.
Fazit
Der Vortragsabend endete ganz im Sinne der Maghreb-Kulturtage mit dem Fazit, dass sowohl über den Weg der Literatur sowie auch der Karikatur kulturelle Missverständnisse überwunden werden können und dass es zwischen Maghreb und Europa nicht nur Trennendes, sondern auch viel Gemeinsames gibt.