70 Jahre nach Beginn des Algerienkriegs – Ein Abend der Erinnerung und Kultur 02.11.2024

Am Samstag, den 2. November 2024, lud der Verein Maghreb Haus e.V. zu einem algerischen Kulturabend im Kulturschloss Wandsbek in Hamburg ein, um den 70. Jahrestag des Ausbruchs des algerischen Befreiungskrieges zu ehren. Die Veranstaltung bot ein abwechslungsreiches Programm mit Lesungen, Vorträgen, Musik und kulinarischen Köstlichkeiten, um die kulturelle und historische Vielfalt Algeriens zu würdigen.

Moderator Amir Hallouane hieß die Gäste zu Beginn der Veranstaltung herzlich willkommen und gab ihnen einen Überblick über das abwechslungsreiche Programm des Abends. Mit Charme und Fachwissen führte er das Publikum durch die verschiedenen Programmpunkte und schuf eine einladende Atmosphäre, die das Eintauchen in die algerische Kultur ermöglichte. Dank seiner lebendigen und einfühlsamen Moderation gelang es ihm, die Vorträge, Lesungen und musikalischen Darbietungen harmonisch miteinander zu verbinden, sodass die Zuhörer die kulturellen und historischen Aspekte des Abends in vollen Zügen genießen und besser verstehen konnten.

Dr. Djelloul Aroui, Vorsitzender des Maghreb Haus e.V., begrüßte die Gäste und sprach über die Bedeutung dieses historischen Jubiläums. Er bedankte sich bei den Anwesenden, dass sie gemeinsam mit dem Maghreb Haus e.V. den 70. Jahrestag des Ausbruchs des algerischen Befreiungskrieges feierten. “Algerien hat sich seine Unabhängigkeit blutig erkämpft und heute jährte sich der Beginn des Aufstands gegen die Kolonialmacht zum 70. Mal. Der Algerienkrieg war einer der blutigsten Befreiungskriege des 20. Jahrhunderts und kostete 1.5 Millionen Algerier das Leben“, beschrieb Dr. Aroui die außerordentliche Grausamkeit des Algerienkrieges und bat die Anwesenden um eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des Algerienkrieges sowie alle Opfer von Krieg, Gewalt und Terrorismus.

In einem bewegenden Vortrag beleuchtete er den Algerienkrieg und seinen historischen Kontext, beginnend mit einem kurzen Einblick in die prähistorischen Zivilisationen Algeriens. Der Krieg, der von 1954 bis 1962 dauerte, gilt als einer der blutigsten Befreiungskriege des 20. Jahrhunderts, geprägt von massiver Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen, die das kollektive Gedächtnis der Nation bis heute prägen. Dr. Aroui hob die bis heute spürbaren Auswirkungen der Kolonialzeit auf die algerische Gesellschaft hervor und betonte, dass Dialog und Verhandlungen essenziell für die Konfliktlösung sind. Die Achtung der Menschenrechte und internationale Zusammenarbeit seien wesentliche Grundpfeiler für nachhaltigen Frieden. Gleichheit aller Menschen, unabhängig von Herkunft oder Religion, sei von entscheidender Bedeutung, während Toleranz und Respekt die Grundlage einer friedlichen Gesellschaft bilden.

Nach einer kurzen Pause las Donata Kinzelbach, Gründerin des Kinzelbach Verlags, aus Werken algerischer Autoren, die sich mit dem Algerienkrieg und seiner Bedeutung für die algerische Identität auseinandersetzen. Kinzelbach, eine Pionierin der Maghreb-Literatur und Trägerin des Integrationspreises sowie des Deutschen Verlagspreises 2024, setzt sich seit langem für den kulturellen Dialog ein. Sie las Passagen aus „Reparationen im Dreieck Algerien, Frankreich, Deutschland“ von Claus Leggewie sowie aus dem Roman „Ausgeblendet“ von Maïssa Bey. Leggewie skizziert darin Algeriens schicksalhaften Weg von der Kolonialzeit bis in die Gegenwart und beleuchtet das Verhältnis zwischen Algerien, Frankreich und Deutschland aus verschiedenen Perspektiven. Kinzelbach las zudem aus Maïssa Beys Roman, der von einer zufälligen Begegnung dreier Menschen in einem Zug erzählt, darunter ein ehemaliger französischer Soldat und eine Algerierin, deren Vater im Unabhängigkeitskampf ums Leben kam. Die Begegnung von Täter und Opfer wird hier mit großer psychologischer Genauigkeit dargestellt und hinterlässt beim Leser eine tiefgehende Nachdenklichkeit.

Instrumentenbauer Mohamed Khoudir bot den Gästen eine tiefgehende Einführung in die Welt algerischer Musikinstrumente, wobei er besonders auf die Oud und verschiedene Lautentypen sowie deren handwerkliche Bauweise einging. Die Ausstellung widmete sich den feinen Details der Herstellung und präsentierte verschiedene Modelle und regionale Varianten der Laute, die tief in der algerischen Kultur verwurzelt sind. In seinem Vortrag führte Khoudir die Zuhörer von den mittelalterlichen Ursprüngen der Laute bis zu ihrer heutigen Form und Bedeutung. Dabei erläuterte er, wie sich das Instrument im Laufe der Jahrhunderte ständig weiterentwickelte und an verschiedene kulturelle Einflüsse anpasste. Einen besonderen Schwerpunkt legte er auf die andalusische Epoche, deren musikalische Traditionen die algerische Kultur tief geprägt haben. Diese Zeit gilt als eine Blütephase, in der die Oud ein zentrales Element der musikalischen Identität wurde. Ein weiterer Abschnitt seines Vortrags beleuchtete die Rolle der Musik in der französischen Kolonialzeit. Khoudir hob hervor, wie Musikinstrumente wie die Oud in dieser Zeit nicht nur als Kunstwerke, sondern auch als Ausdrucksformen des kulturellen Widerstands gegen die Kolonialmacht dienten. Musik wurde so zu einem unverzichtbaren Bestandteil des algerischen Erbes, das auch in schwierigen Zeiten bewahrt und weitergegeben wurde.

Musikalisch wurde der Abend von dem Berliner Musiker Rachid Haroun und seiner Begleitband umrahmt, die mit andalusisch-algerischen Klängen algerische Traditionen lebendig werden ließen. Rachid spielte auf der algerischen Mandola traditionelle Lieder über Liebe und Sehnsucht, begleitet von Toufik Benbessa an der Darbuka, Mohamed Khoudir am Daf und Jugourtha Amari an der Tar. Die Musik fesselte die Zuhörer und zog sie in ihren Bann. Der Musiker Rachid Haroun wird den Kulturabend mit seiner beeindruckenden andalusischen Stimme musikalisch umrahmen. Begleitet von seinen Musikern und mit seinem virtuosen Spiel auf der algerischen Mondola entführt er das Publikum in die bezaubernde Welt der andalusisch-algerischen Musik.

Der Abend bot den Gästen reichlich Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Bei traditionellem Pfefferminztee und landestypischen Köstlichkeiten kamen sie miteinander ins Gespräch und tauchten in die algerische Kultur ein. Kulinarisch wurden algerische Spezialitäten wie Tajine, traditionelles Gebäck und aromatischer Minztee serviert, die den Gästen ein authentisches Geschmackserlebnis boten.

Dieser besondere Abend vereinte historische Tiefe, kulturelle Vielfalt und interkulturellen Dialog. Die Kombination aus Literatur, Musik und Geschichte schuf einen Raum für Austausch und stärkte das Bewusstsein für Algeriens reiches kulturelles Erbe.

Ein herzliches Dankeschön geht an alle Beteiligten für diesen gelungenen Abend!
Dr. Djelloul Aroui – Vorsitzender
Maghreb Haus e.V.