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Anlässlich des 65. Jahrestages des Ausbruchs des algerischen Befreiungskrieges hatte das Maghreb Haus e.V. am 08.11.2019 zu einem Vortrag mit dem Vorsitzenden des Maghreb Hauses e.V., Dr. Djelloul Aroui, einer Lesung mit der Verlegerin und Algerien-Expertin Donata Kinzelbach und einer Präsentation der Musikinstrumente des Maghreb mit Mohamed Khoudir ins Kulturschloss Wandsbek geladen.

Nach einer kurzen Begrüßung führte Dr. Aroui in das Thema des Abends ein und bedankte sich bei allen Gästen dafür, dass sie mit dem Maghreb Hauses e.V. den 65. Jahrestag des Ausbruchs des algerischen Befreiungskrieges feierten: „Algerien hat sich seine Unabhängigkeit blutig erkämpft und heute vor einer Woche jährte sich der Beginn des Aufstands gegen die Kolonialmacht zum 65. Mal. Der Algerienkrieg war einer der blutigsten Befreiungskriege des 20. Jahrhunderts und kostete 1.5 Millionen Menschen das Leben – vorwiegend Algerier“, beschrieb Dr. Aroui die außerordentliche Grausamkeit des Algerienkrieges und bat die Anwesenden um eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des Algerienkrieges sowie alle Opfer von Krieg und Gewalt.

Im Anschluss las Donata Kinzelbach aus dem Band „Im Aufbruch“ von Amin Khan. Seit dem 22. Februar gehen Millionen von Menschen in Algerien auf die Straße. Was sie fordern, sind die Umsetzung humanitärer Werte und die Implementierung einer politischen Führung, die integer die Rechte des Volkes vertritt. Der Band vereint Beiträge zu den Demonstrationen und gibt Einblicke in politische und soziologische Hintergründe. Es folgten noch einige Auszüge aus dem Roman „Ausgeblendet“ von Maïssa Bey – ein kurzer, aber in seiner emotionalen Genauigkeit beeindruckender Roman, der von der zufälligen Begegnung dreier Menschen in einem Zug erzählt. Ein ehemaliger französischer Soldat trifft auf eine Algerierin, deren Vater im Unabhängigkeitskampf von den Franzosen verhaftet und ermordet wurde. Dieses Aufeinandertreffen von Täter und Opfer wird mit einer faszinierenden psychologischen Genauigkeit dargestellt, die den Leser betroffen, aber nicht hoffnungslos zurücklässt.

In seinem anschließenden Vortrag „Gegen das Vergessen – der blutige algerische Befreiungskrieg“ beleuchtete Dr. Aroui die Hintergründe eines der blutigsten Befreiungskriege des 20. Jahrhunderts und ging auf die eklatanten Menschenrechtsverletzungen während der algerischen Kolonialzeit ein. Gemäß der Grundsätze der französischen Revolution von 1789 „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ betonte er, dass der Algerienkrieg ein Verrat einer westlichen Demokratie an ihren eigenen Prinzipien für brutale Unterdrückung, immense Opferzahlen und die Etablierung systematischer Folter war. Die französische Kolonialzeit durchlief drei Etappen 1) Volkswiderstände von 1830 bis zum ersten Weltkrieg, 2) Entstehung des algerischen Nationalismus nach dem ersten Weltkrieg und 3) Bewaffneter Aufstand zur Einheit des algerischen Nationalismus von 1954 bis 1962. In der Zeit von 1830 bis zum ersten Weltkrieg hatte es vereinzelt antikoloniale und lokale Aufstände gegeben, die brutal niedergeschlagen wurden. Die wichtigsten Führer des Volksaufstands gegen die französischen Eroberer waren Emir Abdelkader (1808 – 1883), Lalla Fatma N’Soumer (1830 – 1863), Cheick Almokrani (1815 – 1815) und Cheick Bouamama (1833 – 1908). Nach dem ersten Weltkrieg verstärkte sich die nationale Bewegung. Zwei Persönlichkeiten haben seine weitere Entwicklung geprägt: Messali Hadj, der Begründer der ersten nationalistischen Partei 1926, und Abdulhamid Ben Badis, der Führer der Organisation der Ulema, die lokale Autorität, die über die korrekte Interpretation der islamischen Glaubenslehre entscheidet und die politische Rechte für alle Algerier forderten. Nach dem Massaker von 1945 wurden kritische Stimmen laut, dass die politische Rechte für die Algerier nur durch einen nationalen bewaffneten Aufstand für die Unabhängigkeit Algeriens möglich wäre. Am 1. November1954 war es soweit. Nach acht Jahren war der Algerienkrieg zu Ende und Algerien wurde in die Unabhängigkeit entlassen.

Für die musikalische Unterhaltung sorgte der Oud-Bauer und -Restaurator Mohamed Khoudir. 1996 hatte der aus einem Vorort von Algier stammende 23-jährige Algerier vor dem Bürgerkrieg in Algerien das Weite gesucht. Über Italien und Süddeutschland landete er vor 20 Jahren in Berlin. Im nachtaktiven Kreuzberg betreibt er eine kleine Werkstatt. Am Eingang ist auf Deutsch und Arabisch zu lesen: „Musikinstrumente – Bau, Reparatur und Pflege“ und an den Wänden hängen verschiedene Musikinstrumente, unter anderem Ouds und Gimbris sowie ein kleines Lern-Kanun, eine Kastenzither, die es sich patentieren ließ. Von den Instrumenten hatte Khoudir, der in Deutschland eine Erzieher- sowie Musik- und Klangtherapieausbildung absolvierte, einige Exemplare mitgebracht. „Die Gimbri ist eins der Hauptinstrumente der Gnawa-Musik und der Vorläufer der Oud“, erzählte Khoudir und lud die Gäste zur Interaktion ein. Diese hatte beim Ausprobieren der verschiedenen Musikinstrumente viel Spaß.

Den Abschluss des Abends bildete wie immer das gemeinsame Abendessen – natürlich mit algerischen Spezialitäten wie Couscous, Tajine und Minztee.

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